​Was bringt 2023 für pflegende Angehörige?

Es ist Ende Dezember 2022 und wir sollten wissen, welche Änderungen in der Pflegeversicherung für das kommende Jahr geplant sind. Aktuell beziehen sich die geplanten Änderungen scheinbar nur auf die Beiträge zur Pflegeversicherung. Denn bekannt ist, die Beiträge zur Pflegeversicherung werden steigen. Der Pflegeversicherungsbeitrag wird um 0,35 Prozentpunkte angehoben. Das heißt Versicherte mit Kindern zahlen 3,4 Prozent und Kinderlose ab 23 Jahre 3,75 Prozent zur Pflegeversicherung.

Die Erhöhungen des Pflegegeldes und das seit langem angekündigte Entlastungsbudget lassen allerdings weiter auf sich warten.

Die Erhöhung des Pflegegeldes wird auch politisch gefordert

PolitikerInnen und KassenvertreterInnen fordern zumindest eine Erhöhung des Pflegegeldes. Dabei geht Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha von den Grünen von fünf Prozent und der DAK-Vorstandschef Andreas Stormzehn von mindestens 10 Prozent Erhöhung des Pflegegeldes aus.

Allein die Regierung bewegt sich hier nicht. Sie scheint getrieben von Gasumlage, Ukraine-Krieg und einem befürchteten Zusammenbruch der professionellen Pflege keinen Blick für den größten Pflegedienst der Nation – die pflegenden Angehörigen – mehr zu haben.
Dabei ist zu befürchten, dass sich das übel rächen wird. Was, wenn die pflegenden Angehörigen unter der körperlichen, mentalen und auch finanziellen Last der Pflege zusammenbrechen?
Wir leben in einer Zeit, in der die professionelle Pflege schon jetzt nicht mehr in der Lage ist, die Nachfrage nach und die Notwendigkeit von Unterstützung im ambulanten Bereich zu befriedigen. Und auch der stationäre Bereich in Form von Kurzzeitpflege und vollstationären Pflegeplätzen ist am Limit. Tagespflegeeinrichtungen haben nur wenig freie Plätze. Und eine vom Gesetz geforderte Nachtpflege gibt es meines Wissens gar nicht, weil ein solches Angebot aufgrund der vielfältigen Vorgaben nicht wirtschaftlich betrieben werden kann.

Insbesondere im Bereich der Pflege dauerhaft pflegebedürftiger alter und junger Menschen knarzt und knirscht es. Und die Politik ist nicht in der Lage oder willens, die notwenigen Stellen zu ölen.

Ohne Umbruch folgt die Katastrophe

Es bedarf eines Umbruchs. Pflegemängel, vielfach verursacht von renditeorientierten AnbieterInnen müssen sanktioniert werden. Es muss Betreibungsverbote und hohe Geldstrafen geben, um die schwarzen Schafe auszusieben. Eine wettbewerbs- und marktwirtschaftlich orientierte Pflege ist falsch. Seit Jahren erleben wir, dass sie nicht funktioniert.
Alle wissen, muss eine AnbieterIn sparen, um „wirtschaftlich zu sein, dann kann sie das am besten beim Personal. Trotzdem legt die Politik in der Pflege keine verbindlichen Personalschlüssel fest, die praxisorientiert sind und nicht schwerpunktmäßig finanzielle Belange berücksichtigen.

Unsere Regierung muss sicherstellen, dass wer Hilfe braucht, auch Hilfe bekommt! Dennoch ist es aktuell nicht unüblich, dass wer nur wenig Hilfe nachfragt, wie etwa Hilfe einmal wöchentlich beim Duschen, „mangels Kapazität“ abgelehnt wird, da sich der Einsatz für den Pflegedienst nicht lohnt.

Es kann nicht sein, dass eine Situation herrscht, bei der Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Pflegediensten „ausgeliefert“ sind, weil sie bei Kritik und Korrekturwünschen Angst haben müssen, dass ihnen der Vertrag vom Pflegedienst gekündigt wird. So werden Pflegebedürftige gezwungen, sich auf Vereinbarungen mit AnbieterInnen einzulassen, die rechtlich und menschlich problematisch und fragwürdig sind.
Die Betroffenen werden auch dann mit diesen Problemen allein gelassen, wenn sie sich an die Pflegekassen, die die Versorgungsverträge mit den Einrichtungen schließen, wenden. Es erfolgen nach meiner Erfahrung keine Interventionen seitens der Pflegekassen, wenn Pflegedienste bspw. einem Kunden eröffnen, dass sie „ab nächster Woche“ nicht mehr kommen werden. Der beliebteste Grund, der angegeben wird, egal, was tatsächlich für die Kündigung ausschlaggebend war, ist „Personalmangel“.

Wir brauchen dringend einen Ausweg

Es ist eine fatale Situation! Selbst in meiner Pflegeberatung sehe ich mich teilweise gezwungen, KundInnen darauf hinzuweisen, dass, wenn sie ihre berechtigte Kritik beim Pflegedienst vortragen, sie mit einer Kündigung rechnen müssen. Kritik am Pflegedienst muss inzwischen strategisch geplant werden.

Es stellt sich am Jahresende daher die ernsthafte Frage, ob die pflegenden Angehörigen und die ambulant versorgten Pflegebedürftigen der Politik gleichgültig sind. „Irgendwie“ funktioniert es ja. Und die Einzelfälle, wenn häusliche Arrangements zusammenbrechen, werden kaum öffentlich – es sei denn, sie enden im Mord am Pflegebedürftigen. Und selbst dann hat die Presse oftmals nur Platz für eine kleine Mitteilung bei einem solchen Drama.

Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Für viele ist es schon zu spät. Doch wenn sich nichts ändert, laufen wir sehenden Auges in eine menschliche Katastrophe.